Im Bahnhofssupermarkt nutzen wir den obligatorischen Einkauf gleich dazu eine Pappe zu besorgen. Mit dem Bus Nummer 23 geht es raus aus Riga in Richtung Balozi. Endlich werden wir dafür belohnt nicht schwarz zu fahren, denn man kontrolliert uns gleich zweimal. Aber die Ticketpreise sind auch fair – umgerechnet rund 1€.
Gleich hinter einer Ampel, direkt an der Ausfallstraße A7, befindet sich unser Startpunkt. Die Bushaltestelle liegt zwar nicht optimal, aber gut. Leider jedoch noch vor dem Schnellstraßenring der um Riga herumführt. So steigen wir erst in das vierte Auto ein, das anhält, ganze anderthalb Stunden sind bis dahin vergangen. Als wir kurz hinter dem Ring bei Kekava wieder ausgesetzt werden, klappt es endlich wie am Schnürchen. Ein junger Handwerker bringt uns bis nach Bauska, dort Essen wir erst einmal im finnischen McDonalds-Pendant „Hessburger“ zu Mittag. Frisch gestärkt, den Tee-to-go noch gar nicht richtig ausgetrunken und das „Vilnius“-Schild kaum erhoben, hält für heute unser sprichwörtliches „Taxi“ an.
Der Vilnuser Taxifahrer ist auf der Rückfahrt von Riga nach Hause und somit unser finaler Lift. Die Straßen sind wie leergefegt, die Landschaft weit und der BMW, im Alltag das Taxi des Fahrers, ist so gemütlich, dass ich die zweistündige Fahrt bis in die litauische Hauptstadt fast durchgehend schlafe. Madlene unterhält sich dagegen auf Russisch mit dem Fahrer. Der scheint zutiefst beeindruckt oder ist einfach nur super nett, sodass er uns direkt vor dem Haus unser Couchsurferinnen herauslässt. Die fünf Lets (rund 7,50€) sollen sein Trinkgeld sein, die braucht man nun in Litauen eh nicht mehr
Die drei Studentinnen bei denen wir für diese Nacht unterkommen, stecken mitten in den Planungen für ihre Klezmer-Party. Wir wollen sie nicht weiter stören und ziehen es vor die Stadt anzuschauen. Es ist der 20. Jahrestag der Litauischen Unabhängigkeit und überall blinkt und weht es gelb-grün-rot, den Nationalfarben des baltischen Staates. Auf der Prachtstraße werden wir von Alexander, Baujahr 1945, angesprochen. Er scheint einen Narren an uns gefressen zu haben, denn er erzählt uns seine halbe Lebensgeschichte im Allgemeinen, aber im Besonderen die Hintergründe zur litauischen Unabhängigkeitsgeschichte. Bestimmt eine Stunde redet er mit uns, Madlene muss mir immer seine russischen Erzählungen übersetzen. Zudem machen wir Fotos mit ihm und er von uns – mit seinem Fotoapparat. Er notiert sich unser Namen, wir natürlich seinen.
Nach dieser Begegnung vertiefen wir unseren landeskundlichen Kenntnisse mit dem Genuss der litauischen Spezialität „Ceplini“ – im Prinzip ein eiförmiger Klosteig gefüllt mit Hackfleisch und dazu Schmand.
7.00 Uhr, Freitag, der Handywecker klingelt. Noch in unseren Schlafsäcken eingemurmelt entscheiden wir spontan unsere Pläne über den Haufen zu werfen. Anstatt nach Gdansk zu trampen, fahren wir nach Warschau – mit dem Bus. Schnell sind Tickets und auch die Übernachtungsmöglichkeit besorgt. Da unser Bus erst um halb elf nachts die Stadt verlassen wird, bleibt genug Zeit Vilnius noch einmal genauer anzuschauen. Man kann sie wohl zu Recht als eine der schönsten Hauptstädte Europas bezeichnen.
Die Zeit in Vilnius und auch mit unseren Hosts (und ihrer viermonatigen Hauskatze Petra) ist viel zu kurz, ein wiederkommen nach Litauen nicht ausgeschlossen, dann aber im Sommer.
Wir sind natürlich wieder überpünktlich am Busbahnhof, sodass wir die Wartezeit im Inneren überbrücken. Der Bus rollt ein paar Minuten zu spät in die Haltebucht mit der Nummer 21. Nach dem Check unserer Tickets und der Ausweise nehmen wir im oberen Teil des Doppeldeckerbusses Platz. Die Sitze sind bequem und auch der Beinabstand ist ungewöhnlich groß. Die Fahrt durch die Nacht beginnt …