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Unterwegs im Nachbarland

Baku
Eine Möwe und der momentan höchste Flaggenmast der Welt – beides am Kaspischen Meer in Baku.

Die Visumsbeschaffung für Aserbaidschan war zwar deutlich schneller und unkomplizierter als das iranische Equivalent, kostete aber auch fast das Doppelte. 110 US-Dollar muss man für den „Spaß“ berappen, denn die fünftägige Prozedur wird über eine Reiseagentur in Tbilissi abgewickelt – direkt beantragte (Touristen-)Visa werden an der hiesigen Botschaft nämlich nicht angenommen.

Bei besagter Reiseagentur gibt man uns Reisenden, also meinen Mitbewohnerinnen Lina und Auste sowie Kommilitonin Marie, den Tipp, anstatt mit dem langsamen Nachtzug doch mit dem Bus nach Baku zu fahren. Am Samstag, den 28. Januar, stehen wir vier überpünktlich und die letzte Abschiedsfeier noch in den Venen am Tbilisser Busbahnhof (wenn man das so bezeichnen mag, von den anderen „Busbahnhöfen“ fahren hauptsächlich Marschrutkas in alle möglichen Landesteile ab). Doch von einem Bus nach Baku ist nach unserem Eintreffen nichts zu sehen, das einzige Reiseziel scheint die türkische Metropole Istanbul zu sein.

Lina, unser Russisch-Ass, fragt sich durch die Schalter und schnell finden wir zwei weitere Reisende, die dasselbe Ziel haben. Ob es am Wetter oder am nicht vorhandenen Reiseplan liegt ist und letztendlich egal, denn man organisiert uns kurzerhand eine Marschrutka, die uns bis zur nahen georgisch-aserbaidschanischen Grenze bringen soll. Dort angekommen dauert die Kontrolle auf georgischer Seite nur darum länger, weil viele Passagiere eines anderen Reisebusses anstehen. Auf aserbaidschanischer Seite wird noch nicht einmal nach den teilweise drei armenischen Visa einer meiner Mitreisenden gefragt.

Drüben angekommen heißt es dann auf einen der wartenden Reisebusse gen Baku aufzuspringen und die mehr als achtstündige Fahrt in die Hauptstadt mehr oder weniger abzusitzen. Denn zu sehen gibt es außerhalb des Busfensters nicht allzu viel, die Landschaft ist schlichtweg unspektakulär – wir halten zweimal auf matschigen Parkplätzen mit angrenzenden Restaurants, dass war’s dann aber auch schon.

Baku

Am späten Abend kommen wir im überraschend schneebedeckten und eisig windigen Baku an. Doch Fuad, unser Couchsurfing-Host für den ersten Tag, bringt uns schnell in die Wohnung zwei seiner Freunde, wo wir am ersten Abend im Warmen übernachten dürfen. Alle drei kennen sich vom Studium in Ankara und arbeiten mittlerweile mehr oder weniger direkt für die zahlreichen Öl- und Gasunternehmen. Trotz der Glas- und Betonpaläste in der Innenstadt und zahlreicher Baustellen bestätigen sie, dass es im Land nur schwer vorangeht, speziell wenn sie die Entwicklungen im benachbarten und ärmeren Georgien beobachten. Bremse und zugleich Zugpferd sind und die Energieressourcen des Landes.



Baku

Das zeigt sich am augenscheinlichsten in der Haupstadt, sei es die Strandpromenade, die herausgeputzte Innenstadt, die sich im Bau befindenden Flame Towers oder den zahlreichen Luxushotels. Aber hinter der Fassade und etwas außerhalb des Stadtzentrums sieht man Straßenzüge alter Gebäude die den fantastischen Plänen der Regierung weichen müssen, matschige Straßen und die alltäglichen Probleme der „normalen“ Menschen. Auch wir haben bei unserem zweiten Host, Gokhan, kein Wasser, da der Tank bei den niedrigen Temperaturen eingefroren ist. Und auch die Laternen brennen nur in den Prachtstraßen. Für eine riesige Lichtshow am Theater, die für den Eurovision Song Contest im Mai wirbt, scheint aber genug Elektrizität und vor allem Willen da zu sein.

Wie dem auch sei, auch ohne Wasser und bei frostigen Temperaturen geben sich unsere Hosts die allergrößte Mühe uns nicht nur den Aufenthalt angenehm zu gestalten, sie organisieren uns auch ein paar abwegigere Touren. So geht es nach der Stadtbesichtigung am Sonntag, am Montag durch die Ölfelder bei Baku zum Ateschgah Feuertempel. Am Dienstag steht dann die Besichtigung des Insel Pirallahi ganz am Ende der Abscheron-Halbinsel an, ehe wir uns am Mittwoch in das kleine beschauliche Sheki machen.

Ölgewinnung auf Abscheron:
Absheron peninsula

Absheron peninsula


Absheron peninsula


Absheron peninsula


Absheron peninsula

Insel Pirallahi:
Pirallahi Island
 Pirallahi Island

Pirallahi Island


Pirallahi Island


Pirallahi Island

In der noch mehr eingeschneiten Kleinstadt werden wir noch freundlicher empfangen und großzügigst verpflegt. Dort kommen wir nicht nur das erste mal mit der traditionellen aserbaidschanischer Küche in Kontakt (die geschichtsbedingt der Iranischen sehr ähnelt) sondern auch mit der sehr männerdominierten Gesellschaft abseits des kosmopolitischen Bakus.

In den Teehäusern wird sich ungläubig umgeblickt, sobald ich mit meinen drei Begleiterinnen den Raum betrete. Und auch im allgemeinen Straßenbild sind Frauen eher rar gesät. Und auch bei den Gesprächen mit einem jungen Aseri den wir im Bus kennen lernen und der uns einen Tag lang durch Sheki führt, erfahren wir, dass die Familie nach wie vor den Lebensweg bestimmt.

Sheki:
Sheki

Sheki


Sheki


Sheki


Sheki


Sheki

Aserbaidschanische Gastfreundschaft:
Sheki

Sheki


Sheki

In der letzten Station unser kurzen Reise bestimmen wir diesmal selber, wo es hingehen soll – anders als in den anderes Städten konnten wir in der ehemaligen Hauptstadt Ganja keinen Couchsurfer finden. Die Suche nach einer Unterkunft erweißt sich trotz Lonely Planet als äußerst schwierig. Zu teuer oder schlicht zu weit außerhalb der Stadt sind die vorgeschlagenen Hotels. An preiswerte Pensionen oder gar Privatunterkünfte ist nicht zu denken. Uns bleibt somit nichts anders übrig als das Hotel Kapaz aufzusuchen. Im angesprochen Reiseführer wird dieses folgendermaßen beschrieben:

„Staff assume that anyone who’s crazy enough to check in to this monstrous hulk of decomposing concrete must also be mad enough to pay whatever they’re asked. The ragged room we saw was barley worth AZN5, certainly not the AZN 20 demanded. Don’t count on hot water. Only the 6th to 8th floors function and even here floor managers cackle at guests rather than helping. Bizarrely lifts work up only.”
(Quelle: Lonely Planet. Georgia, Armenia & Azerbaijan, 2008, S. 282)

 

Diese bereits vier Jahre alte Beschreibung beschreiben die Zustände in diesem 1970 erbauten „Horrorhotel“ nur ansatzweise: Wir haben keine Heizung, kein Wasser, undefinierbare Flecken auf den Bettdecken und der angesprochene Aufzug muss vom Personal auf Höhe der richtigen Etage manuell gestoppt werden. Wir versuchen das Gesehene mit Alkohol zu betäuben, auch um die umgerechnet 15 Euro pro Person schnell zu vergessen oder es einfach als das größte Abenteuer der gesamten Reise abzutun. So fällt es uns nicht allzu schwer uns am darauf folgenden Tag vom Land zu verabschieden und nach gut fünf Stunden per Marschrutka-Hopping wieder „zu Hause“ zu sein.

Das „Hotel“ Kapaz:
Ganja

Ganja

Ganja


Ganja

Alle Fotos der Reise hier.

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