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Gagausien

Comrat

Gagausien? Genauso verwundert war ich, als ich den Begriff das erste Mal gehört hatte. Diese Region oder besser gesagt mehr oder weniger zusammenliegende Landflecken bilden ein autonomes Gebiet im Süden Moldawiens. Zwar hat Gagausien eine eigenen Regierung, aber wenn man das Verhältnis mit dem in Transnistrien vergleicht, herrscht erheblich mehr Eintracht mit der Zentralregierung in Chisinau.

Und anders als in Transnistrien beruht der Autonomiestatus auch auf der Herkunft seiner Bewohner. Denn die Mehrzahl der gut 150.000 dort lebenden Menschen bilden die namensgebenden Gagausen, ein Turkvolk. So sind die offiziellen Beschilderungen neben Moldawisch und Russisch eben auch auf dem mit (anatolischen) Türkisch eng verwandten Gagausisch beschriftet. Vielfältige Gründe also, einmal der Hauptstadt, dem 25.000 Einwohner-Ort Comrat, einen Besuch abzustatten.

Gut vorbereitet wollte ich also von Chisinau in das nur rund 100 Kilometer entfernte Comrat trampen. Doch nach zwei Stunden des vergeblichen Wartens an der Ausfallstraße gab ich auf. Ich entschloss mich den nahe gelegenen Busbahnhof „Gara de Sud“ aufzusuchen, mich mit leckeren Piroschki zu stärken und einfach ein Ticket gen Süden zu lösen. Für umgerechnet etwas mehr als 2 Euro, zwar mit wenig Beinfreiheit aber dafür mit guter Reisegeschwindigkeit landete ich gut eine Stunde später am Ziel. Manchmal kann man es also auch einfacher haben.

Comrat

Kaum aus der Marschrutka ausgestiegen sah ich schon die erste Reminiszenz an die „Brüder in der Türkei“: Männer in Fußballtrikots der großen Istanbuler Vereine. Doch erstmal ging es daran einen Schlafplatz zu finden. Bereits im Vorfeld hatte ich mich nach einer preiswerten Unterkunft erkundigt, da es in Comrat quasi keine Couchsurfer gibt (während meiner gesamten Reise übernachtete ich so nur zweimal in Hotels, in allen anderen Fällen bei Couchsurfern, Freunden und zweimal im Nachtzug). Ich bekam den Tipp für ein gutes Hotel, auf das ich mich auch gleich auf die Suche machte. Bis ich das etwas versteckteAstoria“ (Übernachtung in modernen Mehrbettzimmer für 150 Moldawische Lei, rund 10 Euro) gefunden hatte, hatte ich den Ort bereits zwei Mal durchquert – allerdings ohne Fotos zu machen. Nachdem ich also meine Sachen im Zimmer verstaute, machte ich mich auf eine erneute Tour durch die Kleinstadt, ehe ich am Ende am übersichtlichen Busbahnhof landete, um dort die Möglichkeiten für die Weiterfahrt am nächsten Tag auszuchecken.

Als ich die Busstation verließ, erblickte ich vor mir laufend zwei Mädchen mit großen Rucksäcken – definitiv Touristinnen. Als ich hörte, dass diese auch noch deutsch sprachen, musste ich die beiden einfach mal ansprechen und nach ihren Reiseplänen befragen. Lisa und Marianne (oder so ähnlich, bei mir Lisa bin ich mir aber fast sicher…) hießen sie und studierten in Berlin – soweit so gewöhnlich. Als ich aber näher nachfragte, wo sie denn aufgewachsen seien, war die Überraschung bei uns dreien gleichermaßen groß: in Suhl nämlich, wo ich bis zur fünften Klasse zur Schule ging!

Comrat

Damit war natürlich die Grundlage gelegt für ausdauernde Gespräche über die Kindheitserinnerungen in der Thüringer Provinz, in deren Verlauf wir sogar feststellten die gleichen Leute zu kennen. Da die beiden auch auf der Suche nach einer Übernachtung waren, konnte ich ihnen natürlich auch weiterhelfen – wie auch bei meiner im Enddefekt vierten Besichtigungstour durch Comrat. Nach dem Abendbrot mit einer typischen moldawischen Pizza (Standardzutaten mindestens Ketchup, Mayonnaise und Wurst), ließen wir den Sommerabend auf dem Gipfel eines nahen Hügels mit einem Bierchen in der Hand und dem Sonnenuntergang über der Stadt ausklingen. Die Welt ist klein.

Comrat

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