Ein städtisches Verwaltungsgebäude am Lenin Prospekt
Nachdem ich den ersten Besuch in Tomsk vor einem Monat noch absagen musste, kurzfristig benötigte die Universität meinen Pass zur Verlängerung meines Visums, erfolgte nun der zweite Versuch. Da Tomsk nicht direkt an der Transsibirischen Eisenbahn liegt, fährt nur alle zwei Tage ein Zug aus Richtung Krasnojarsk. Dabei werden im Knotenpunkt Taiga jeweils Kurswagen von Zügen nach oder von Moskau abgekoppelt und separat nach Tomsk geführt.
Die Stadt, die nach dem Fluss Tom benannt ist, an dessen rechten Ufer sie liegt, ist vor allem aus zwei Gründen russlandweit bekannt: Einerseits weist Tomsk aufgrund der zahlreichen Universitäten, darunter die älteste Sibiriens, und Hochschulen bei rund einer halben Millionen Einwohnern das landesweit höchste Verhältnis von Studierenden auf. Andererseits ist die Innenstadt noch zu einem erheblichen Teil durch alte Holzhäuser geprägt, die sogar die Sowjetzeit überstanden haben. Man war sich wohl der Bedeutung der vielen alten Bauten bewusst, sodass man etliche dadurch rettete, indem man sie innerhalb der Stadt versetzte. Sowohl die Studierenden als auch die alten Holzhäuser, oftmals restauriert, verschaffen der Stadt ihr spezifisches Flair und hebt sie so positiv von den sonst doch recht ähnlich wirkenden russischen Großstädten ab.
Blick vom Lager-Park über die weite Ebene auf der anderen Seite des Toms
Für zwei Tage verweilte ich in Tomsk, Couchsurfer Diana und Max luden mich zu ihnen ein. Die beiden Endzwanziger bewohnen ein schicke Neubauwohnung im Stadtzentrum und bewirteten mich fürsorglich. Aufgrund meiner frühen Ankunftszeit waren die beiden noch etwas schlaftrunken, als ich gegen sieben Uhr bei ihnen klingelte. Doch sofort bereiteten sie ein opulentes Frühstück zu, mit frischen Syrniki, Spiegeleiern, selbstgemachter Marmelade und Tee aus dem Altai – Traumstart. Da die beiden anschließend zur Arbeit mussten, machte ich mich alleine auf, um die Stadt zu besichtigen.
Im wesentlichen befinden sich alle Sehenswürdigkeiten entlang des Lenin Prospekts: Angefangen im Süden am Lager-Park (benannt nach dem Sommerlagern der Tomsker Garnison), wo man vom Denkmal für die Tomsker Kämpfer des Großen Vaterländischen Krieges einen herrlichen Blick auf den Tom und die Umgebung hat, über das Uni-Viertel sowie zahlreiche Holzhäuser in den dortigen Seitenstraßen bis hin zum Auferstehungsberg mit dem Stadtmuseum im Norden des Lenin-Platzes. Um diesen herum befinden sich das monumentale Verwaltungsgebäude des Tomsker Gebietes, einige Theater sowie am Flussufer ein Tschechow-Denkmal – mit dem bezeichnenden Titel „Anton Pawlowitsch in Tomsk aus Sicht eines im Straßengraben liegenden Betrunkenen, der ‚Kaschtanka‘ nicht gelesen hat“ (die Hintergrundgeschichte zur Namensgebung kann hier nachgelesen werden).
Am zweiten Tag luden mich meine Gastgeber auf die Datscha ein. Zusammen mit Freunden fuhren wir in die gut 40 Kilometer entfernte Wochenendunterkunft. Fast jede russische Familie hat eine solche, wobei die Ausführungen von kleinen Holzverschlägen bis hin zu schlossartigen Anlagen reichen können. Die Datscha von Max’ Familie gehört eher zur gehobeneren Klasse und liegt direkt am Tom: neben dem dreistöckigen Haupthaus mit voll ausgestattet „europäischer Einrichtung“ (wenn etwas in Russland modern sein soll oder wenn renoviert wird, dann nach „europäischem Standard“ – oder zumindest was dafür gehalten wird), befinden sich auf dem Grundstück ein Grillplatz, ein Pavillon mit Kamin, ein Gerätehaus sowie eine Banja, die in ihrer Größe teilweise die Datschas in der Nachbarschaft übertrifft. Dementsprechend mondän wurde der Samstag mit Schaschlik braten, Konsolenspielen auf dem Großbildfernseher und Banja-Besuchen verbracht. Vermutlich werde ich einem Oligarchenleben nicht mehr so nah kommen. Wobei wichtig anzumerken ist, dass die Familien meiner Gastgeber ihr Geld ehrlich erarbeitet haben: mit einer Fleischfabrik einerseits und der Herstellung von Holzpaneelen und Parkettbögen andererseits. Was man eben in Sibirien so vorfindet.
Ehrenmal für die Gefallenen im Zweiten Weltkrieg: Mutter Heimat überreicht ihrem Sohn ein Gewehr zur Verteidigung des Vaterlands
Auflistung der gefallenen Tomsker im Zweiten Weltkrieg
Hauptgebäude der Tomsker Staatlichen Universität
Große Rote Moschee in der Tataren-Straße
Das Tschechow-Denkmal auf der Uferpromenade
Drama-Theater und Gotteserscheinungskirche
Das Stadtmuseum auf dem Auferstehungsberg
Holzhäuser auf dem Auferstehungsberg, dem Gründungsort von Tomsk