Es ist von Anfang an klar gewesen: Alexander Lukaschenko, autoritärer Präsident von Belarus seit 1994, würde seine nunmehr fünfte Präsidentschaftswahl leicht gewinnen. Das Ergebnis vom 11. Oktober 2015 war sein bisher höchster Sieg, 83,5 Prozent der Wahlberechtigten stimmten für den amtierenden Präsidenten, wie die belarussische Zentrale Wahlkommission verkündete. Die anderen drei konkurrierenden Kandidaten erhielten alle weniger als fünf Prozent. Keiner der Gegenkandidaten wurde vollständig von der Opposition unterstützt.
Zwar verzeichnete die Internationale Wahlbeobachtungsmission „einige konkrete Verbesserungen und eine einladende Haltung“ der belarussischen Behörden. Allerdings registrierte die Mission, eine Kooperation des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte, der parlamentarischen Versammlung der OSZE und der parlamentarischen Versammlung des Europarates, auch „bedeutende Probleme, insbesondere bei der Auszählung“, welche „die Integrität der Wahl untergruben“.
EU-Vizepräsidentin Federica Mogherini und Kommissar Johannes Hahn unterstrichen darüber hinaus, dass „Belarus immer noch einen beträchtlichen Weg bis zur Erfüllung ihrer OSZE-Verpflichtungen für demokratische Wahlen zu gehen hat.“
Völlige Abwesenheit einer oppositionellen Partei oder unabhängiger Mitglieder in den Wahlkommissionen
Deutlichere Worte fand hingegen das US-Außenministerium: „Wir sind enttäuscht, dass die Wahlen deutlich hinter den internationalen Verpflichtungen und der Zusage Belarus’ für freie und faire Wahlen zurückblieb.“ Insbesondere kritisierten die USA in der Pressemitteilung das „fast völlige Fehlen einer Oppositionspartei oder unabhängiger Mitglieder in den Wahlkommissionen“. So kann wie bei allen bisherigen Wahlen unter Lukaschenko der Abstimmungsprozess nur als eine Simulation einer Wahl bezeichnet werden.
Das eigentliche Ergebnis der Präsidentenwahl war jedoch, dass Lukaschenko – ungeachtet aller Kritik – sein Ansehen im Westen steigern konnte. Denn während der Wahlkampfzeit, der Tage der Wahl und auch danach blieb alles ruhig und friedlich. Andererseits – das zeigten vor allem die Proteste am 10. und 11. Oktober – gibt es kaum noch eine existierende Opposition in Belarus. Deshalb konnte Lukaschenko die wenigen Demonstrierenden relativ risikolos marschieren lassen. Dabei kam es weder zu Verhaftungen noch kam Bereitschaftspolizei zum Einsatz. Auch wurden keine Internetseiten blockiert, wie es in der Vergangenheit des Öfteren vorkam.
Das alles bot dem autoritären Regime perfekte Bedingungen, um sich so offen wie möglich gegenüber internationalen Beobachtern, ausländischen Journalisten und westlichen Politikern zu präsentieren. Lukaschenkos bereits seit einiger Zeit sichtbarer, mehr oder weniger „liberale“ Ansatz zahlte sich aus. Denn einen Tag nach der Wahl vereinbarten die EU-Außenminister die bis dahin bestandenen Sanktionen für vier Monate größtenteils auszusetzen. Diese Sanktionen beinhalteten Reiseverbote und das Einfrieren von Vermögenswerten gegen Lukaschenko und rund 170 weitere Personen, sowie Beschränkungen gegen 14 Unternehmen.
„Kein Grund, einen Diktator zu belohnen“
Sicherlich erklärt die Freilassung der sechs politischen Gefangenen im August und Lukaschenkos Bemühungen bei den Minsker Verhandlungen zum Ukraine-Konflikt zumindest teilweise die Entscheidung der EU.
„Der tatsächliche Grund ist jedoch ein machtpolitischer. Lukaschenko versucht zu demonstrieren, dass er und Belarus von Putin unabhängig sind und die EU will ihn auf diesem Weg unterstützen“, schreibt die schwedische Zeitung Expressen. „Aber das kann doch nicht der Grund sein, einen Diktator zu belohnen.“
Umso weniger, da sich innenpolitisch nichts seit der massiven Unterdrückung der Proteste nach den Präsidentschaftswahlen 2010 änderte. Nach wie vor sind viele Grundrechte eingeschränkt und es existieren repressive Bedingungen für Zivilgesellschaft, unabhängige Medien und für all jene, die politisch aktiv sind.
„Fünf Jahre später ist die EU im Begriff an ihrem eigenen Test zu scheitern“, mahnt Jörg Forbrig. „Darin wird Lukaschenkos wahrer Triumph liegen.“ Der Leiter des Fund for Belarus Democracy beim German Marshall Fund of the United States warnt zudem davor, dass der jüngste Schritt der EU gefährliche Folgen haben könnte: „Die Zugeständnisse des Westens an Lukaschenko sind auch ein schwerer Schlag für alle, die nach einem demokratischen und europäischen Belarus streben. Sie kämpfen nun sowohl gegen eine repressive Autokratie im Land als auch einen weniger prinzipientreuen und weniger engagierten Westen an.“
Dieser Artikel wurde zuerst auf dem „Belarus Votes 2015: Election Blog“ veröffentlicht.