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Astana: Nasarbajews Traumstadt in der Steppe

Astana

Astana am Morgen – Blick auf den Bajterek-Turm.

Die Lichter in der weiten Ebene kommen immer näher. Erst einigte Punkte, dann wird das Schachbrettmuster immer deutlicher. Die gradlinigen Linien umgibt ein leuchtender Kranz, ähnlich einer endlosen Lichterkette.

Eine letztere Drehung und das Flugzeug landet in Astana, der Hauptstadt Kasachstans. Am Flughafen der 870.000 Einwohner-Stadt herrscht an diesem frühen Morgen wenig Betrieb. Selbst die sonst so umtriebigen Taxifahrer sind wenig motiviert. Lieber dösen sie in ihren Autos anstatt die wenigen Angekommenen eine Fahrt ins etwa 15 Kilometer entfernte Zentrum aufzuschwatzen.

Doch ich bin nicht auf die Dienste angewiesen. Fährt doch selbst jetzt, kurz nach vier Uhr morgens, ein Bus. Zu meiner und der Überraschung einiger weiterer Fahrgäste zuckelt das Gefährt sogar pünktlich an die Haltestelle. Zwar ist damit das erste Problem gelöst, es tut sich aber zugleich ein – altbekanntes – zweites auf: fehlendes Wechselgeld. Dankenswerterweise nimmt mich der freundliche Fahrer trotzdem mit. Gut umgerechnet 40 Cent gespart.
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Blick durch einen riesigen Bogen der Konzernzentrale des staatlichen Mineralölunternehmens KazMunayGas auf den Bayterek-Turm.

Die Fahrt vom Flughafen in Richtung Stadtzentrum macht deutlich, warum Astana so besonders ist: breite, mehrspurige Straßen, links wie rechts neue Glasbauten, die in die Höhe schnellen. Denn die Stadt ist ein Projekt des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Es ist zum Großteil eine Planstadt inmitten der Steppe.

Zwar hat unter anderem auch Brasilien seine Hauptstadt verlegt. Doch im postsowjetischen Raum stellt Kasachstan einen Präzedenzfäll dar. Präsident Nursultan Nasarbajew verlegte nicht nur alle Regierungs- und staatlichen Verwaltungsstellen sowie viele Staatsunternehmen von Almaty im Süden des Landes ins zentraler gelegene Astana. Er ließ große Teile der neuen Hauptstadt komplett am Reißbrett entwerfen und buchstäblich aus der Steppe stampfen. Die diesjährige Expo ist da nur der bisherige Höhepunkt.

Im Juli 1994 beschloss Nasarbajew, dass Astana – auf kasachisch bedeutet „astana“ Kapitale – zur Hauptstadt zu machen.
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Der Ak-Orda-Präsidentenpalast.

Der Ort heißt allerdings erst seit 1998 so. Bis Ende der 1990er war das heutige Astana eine ausgemergelte Provinzstadt. Sie wurde im 19. Jahrhundert als Akmolinsk durch russische Eroberer angelegt. Zur ersten Blüte kam die Stadt wiederum als Celinograd in den späten 1950er und frühen 1960er Jahre im Zuge von Chruschtschows Neulandkampagne.

Nach der Unabhängigkeit 1991 wurde auch wieder der Name der kasachischen Ursprungssiedlung, Aqmola, eingeführt – doch Bezeichnung und nachrangige Provinzialität blieben nur von kurzer Dauer.

Denn seit der offiziellen Verlegung im Oktober 1997 ist „Astana zum größten geopolitischen Projekt der Gegenwart geworden“, wie es in einer Beschreibung im „Museum des Ersten Präsident der Republik Kasachstan“ heißt. Gewidmet ist es Nasarbajew – der wohlgemerkt das bisher einzige und auch derzeitige Staatsoberhaupt des unabhängigen Kasachstan ist.

Forscher sehen in der Hauptstadtverlegung vorrangig geo- und innenpolitische Gründe: Einerseits geht es um die Distanzierung zu postkolonialen wie auch postsowjetischen Strukturen in Almaty, von der sich Nasarbajew augenscheinlich lösen will.

Andererseits beinhaltet die Umverlegung auch explizit territoriale Ansprüche im vornehmlich russisch besiedelten Norden. Zugleich dürfte Nasarbejew der Umzug der Regierung dienlich sein, um die politischen Machtverhältnisse in Kasachstan umzustrukturieren – sowohl aufgrund der größeren Nähe zu den ölreichen Regionen im Westen des Landes als auch durch das Aufbrechen südkasachischer Klanstrukturen.

Im Nasarbajew-Museum werden hingegen einfach „politische und wirtschaftliche Gründe“ genannt, ohne näher darauf einzugehen. Eine eigene Kommission habe Mitte der 1990er Jahre mehre Standorte analysiert, „die Wahl fiel auf Aqmola, als die am meisten präferierte von allen Varianten“, heißt es wenig detailliert in einem Aushang.
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Nasarbajew-Portrait im „Museum des Ersten Präsident der Republik Kasachstan“.

Nasarbajew selbst werden – nach offizieller Lesart – die Idee und Pläne zum Umbau zugeschrieben. Nichts desto trotz lies er auch internationale Top-Architekten einfliegen, um die neue Hauptstadt zu formen. Schließlich soll diese in eines der „stärksten wissenschaftlichen, medizinischen, sportlichen, industriellen und kulturellen Zentren des eurasischen Raums verwandelt werden“, so die offizielle Prämisse.

Der Brite Norman Foster schuf im Auftrag Nasarbajews die riesige zeltförmige Mall Khan Shatyr, die „Pyramide des Friedens und der Eintracht“ und den Bajterek-Turm, das Wahrzeichen der Stadt. Dem Japaner Kisho Kurokawa wird die städteplanerische Grundstruktur zugeschrieben.
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Das Einkaufszentrum Khan Shatyr.

Auf einer Achse, beginnend beim erwähnten Einkaufszentrum und endend beim Präsidentenpalast, befinden sich die wichtigsten Regierungsgebäude und staatstragenden Unternehmen, der Bajterek-Turm und das Botschaftsviertel. Riesige Wohnblöcke mit blau und gold (den kasachischen Nationalfarben) glänzenden Fassaden flankieren dieses neue Zentrum.

Am frühen Morgen ist die sonst so geschäftige Stadt jedoch noch wie ausgestorben. Außer ein paar Joggern und Frauen, die die Straße kehren, sind selbst die oft vollgestopften Straßen leer.
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Bayterek-Turm.

Die tief stehende Sonne spiegelt sich in den Glitzerfassaden. Doch kaum erhebt sich die Sonne und die Uhr zeigt auf acht, strömen die Menschen zu den Bushaltestellen. Binnen kurzer Zeit sind nicht nur die öffentlichen Busse heillos überfüllt, auch auf den breiten Boulevards reihen sich nun SUVs und hochpreisige Limousinen Stoßstange an Stoßstange.

Und auch aus der erfrischenden morgendlichen Brise ist ein trockener Steppenwind geworden.
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