„Isfahan ist die Hälfte der Welt“, sagt ein persisches Sprichwort. Die alte Hauptstadt mit ihren über 1,5 Millionen Einwohnern befindet sich rund 400 Kilometer südlich von Teheran. Während der „goldenen Zeit“ der Safawiden, in deren Dynastie vom 15. bis zum 18. Jahrhundert sich der schiitischen Islam als Staatsreligion etablierte, wurde Isfahan durch zahlreiche Prachtbauten, die selbsternannte „schönste Moschee der Welt“, Paläste und Gartenanlagen in gewaltigen Umfang verschönert – mit dem eindrucksvollen 9 Hektar großen Platz des Imams im Zentrum.
Die Jameh Moschee, das Hauptgotteshaus für das Freitagsgebet
Bevor ich in den Iran kam, hatte ich – Schande auf mein Haupt – noch nie von dieser atemberaubenden Stadt gehört. So machet mir jeder den Mund wässrig, der mir von dieser wahrlichen Prachtstadt erzählt. Ich muss dort also unbedingt hin. Das iranische Schienennetz ist zwar eher weitmaschig, aber die wichtigsten Städte sind bequem über Nacht mit dem Zug – in diesem Fall für weniger als 4 Euro – erreichbar.
Die Geschichte beginnt also wieder da, wo sie in Teheran geendet hat – am Bahnhof. Die Wartezeit auf den Zug verkürzt sich wie im Flug, als mich mal wieder ein Iraner anspricht, der ebenfalls auf seinen Zug wartet. Die Fragen ähneln sich zwar oft (Wo kommt man her? Wie gefällt es einem? Und ist man verheirat?), man ist aber jedes Mal verwundert ob der Offenheit der Iraner und der doch vielen Ähnlichkeiten zu uns Europäern. Oft fällt auf, dass die Iraner ein viel zu liberales Bild des „alten Kontinenten“ haben. Durch viele Gespräche, auch mit unterschiedlichen Generationen, habe ich den Eindruck bekommen, dass sich die Traditionen und Verhaltensweisen immer mehr lockern. Was vor zehn Jahren noch undenkbar war, wie eine Freundin bzw. einen Freund zu haben ohne ihn zu heiraten, ist mittlerweile gang und gäbe. Selbstverständlich findet diese Entwicklung ausgehend von den großen Städten statt, doch sie ist vermutlich unaufhaltsam und lässt – nicht nur mich – positiv in die Zukunft blicken.
Ein breites Angebot an Tschadors vor der Jameh Moschee
Im Nachtzug teile ich dann mein 6er-Abteil unter anderem mit zwei Studenten und drei älteren Iranern. Wie sich später herausstellt, gehören diese einem Stamm an, der sich mehr oder weniger auf seine „arischen Wurzeln“ beruft. Das ist erst einmal nichts abwegiges, denn die deutsche Übersetzung von Iran ist „Land der Arier“. Arg abwegig wird es aber, als einer der Männer damit eine „Volksnähe zu den Deutschen“ beweisen möchte – um die Bedeutung seines Stammes gegenüber mir, aber auch innerhalb des Irans hervorzuheben. So schildert es mir einer der Studenten, dem es sichtlich peinlich ist mir das Gesagte zu übersetzen. Er ist einerseits bemüht es korrekt hinüberzubringen, andererseits distanziert er sich mir gegenüber ebenfalls dieser Meinung. Was natürlich dadurch erleichtert wird, dass die Männer kein Englisch verstehen. So kommt auch dieses lustige Detail am Rande zustande: Ein Stammesmitglied bedankt sich am Ende seines Monologs bei dem Studenten für die Übersetzung und fragt ihn, wo er denn so perfekt Deutsch gelernt habe. Daraufhin erwidert der angehende Betriebswissenschaftler ihm, das man sich eigentlich auf Englisch unterhalten habe. Das kann der erstaunte „Arier“ nur damit kommentieren, dass man doch nicht so eine „imperialistische Sprache verwenden“ solle und doch lieber Deutsch lernen sollte.
Andeutungen auf die USA aber vor allem auf Israel und ihre Rolle in der Region gab es davor und danach noch einige Male. Vor allem aber von einigen älteren Menschen. Man sollte das meiner Meinung nicht allzu hoch gewichten, erinnert es mich doch auch an die Georgier, welche Russland hassen, aber nichts gegen russische Freunde oder die Sprache einzuwenden haben.
Zurück nach Isfahan. Gegen sechs Uhr erreicht der Zug den Kopfbahnhof, der ungewöhnlicherweise sehr weit außerhalb der Stadt liegt. Ausgestattet mit einem Zettel und der Telefonnummer meines Couchsurfing-Hosts, Meysam, suche ich mir den erstbesten Taxifahrer, deute ihm an, die Nummer zwecks Wegbeschreibung zu wählen, um mich dann letztendlich dorthin zubringen.
Meysam, der mich nach Isfahan eingeladen hat (Couchsurfing funktioniert also auch andersherum – und das besonders hervorragend im Iran!), empfängt mich mit offenen Amen in seiner großen Zweiraumwohnung. Er meint gleich nach meinem Eintreten in das Wohnzimmer schmunzelnd, dass es wohl der „beschissenste“ Zeitpunkt für mich ist, bei ihm einzutreffen, da die (Hock-)Toilette (grade verstopft war und er bereits seit Stunden auf den Klempner wartete. Der traf dann auch wenig später ein und die Sache war damit erledigt. Eine Anmerkungen noch zu den Klos: in Touristengegenden findet man auch immer eine „normale“ Variante. Der Durchschnitt der Etablissements ist auch durchaus sauber. Soviel zu diesem Thema.
Gemeinsame „Silvesterfeier“ in der Scheich-Lotfollāh-Moschee mit meinen Tbilisser Mitbewohnern: Edvinas, Auste, Filip und meiner Jacke
Meysam entpuppte sich nicht nur als ebenso begeisterter Fotograf, sondern auch als hervorragend ausgestatteter Guide und Kosmopolit. So erkundeten wir nicht nur mit unseren eigenen Füßen die Stadt, sondern vor allem mit seinem Motorrad und seinem Auto. Eigentlich hatte ich vor, nach ein paar Tagen weiter nach Yazd zu ziehen, doch Meysam überzeugte mich mit seiner ungeheuren Gastfreundschaft bis zum Ende in Isfahan zu bleiben. So konnte ich auch zusammen mit Auste, Edvinas und Filip, drei meiner Mitbewohner aus Tbilissi das neue Jahr (in unserem Kalender!) begrüßen, da sie für zwei Nächte auch bei Meysam unterkamen. Ein weiterer Grund war, dass die Stadt wesentlich unhektischer als Teheran auf mich wirkte und irgendwie auch mehr Charme hatte, der sich vielleicht auf mich Fremder wie der „richtige“ Iran anfühlte. So konnte ich noch tiefer in die Stadt eintauchen und mit einigen Freunden Meysams die Zeit intensiver verbringen – so erlebte und erfuhr ich hautnah, dass im Iran im „Untergrund“ nahezu alles möglich ist…
Weihnachten im armenischen Viertel der Stadt, „Jolfa“
Meidān-e Emām („Platz des Imams“), links Scheich-Lotfollāh-Moschee und recht die Königsmoschee (Masdsched-e Emām)
Alle 10 Meter: Spendenboxen für die Zakat (Almosensteuer)