Zwei junge Soldaten bewachen in einem Meer von roten Nelken das Ewige Feuer im Krasnojarsker Denkmalkomplex der dem Sieg gegen Nazi-Deutschland gewidmet ist.
Dem in diesem Jahr wohl wichtigsten russischen Jubiläum, 70 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges, konnte man heuer nur schwer entkommen. Seit Monaten sind Busse, Plakatwände, Geschäfte und selbst Imbissbuden mit teils riesigen Bannern geschmückt. Seit Anfang Mai wehen an den meisten städtischen Laternen rote Fähnchen, versehen mit dem Sankt-Georgs-Band oder der Beschriftung „9. Mai“ beziehungsweise „70 Jahre Sieg“.
Bereits Anfang April bekamen alle Nutzer russischer SIM-Karten die Mitteilung, dass man sich sowohl auf einer speziell eingerichteten Website, mit Hilfe von Smartphone-Apps oder direkt per gebührenfreiem Anruf unter anderem „die Lieder der Kriegsjahre“ anhören konnte. Die zu wählende Nummer, die bei allen Netzbetreibern gleich ist: 1945. Aber auch in der Universität kündigte sich der Feiertag schon früh an: Seit Wochen werden Erinnerungsposter in der Lobby ausgestellt, die mal mehr, mal weniger patriotisch daherkommen. Erst Mitte der Woche verteilten Studentinnen Sankt-Georgs-Bänder auf dem Campus und schließlich gab es am Donnerstag eine kleine Gesangs- und Gedichtaufführung für alle ausländischen Studierenden.
Am 9. Mai schließlich hieß es früh aufzustehen, da die Feierlichkeiten teilweise schon um acht Uhr morgens begannen. Dass ich zu jener Uhrzeit nicht der einzige auf dem Weg in die Innenstadt war, bemerkte ich spätestens bei der dritten Haltestelle, als der Bus schon voll war. Im Zentrum angekommen musste man einfach der Masse folgen. Die Militärparade auf dem Revolutionsplatz begann um neun Uhr, sodass Zeit blieb davor noch einen kurzen Abstecher zum Roten Platz zu machen. Dort waren bereits die Tanz- und Gesangsdarbietungen für die zahlreich anwesenden Veteranen im vollem Gange. Nach deren Ende lies ich mich dann endgültig mit der Masse zur Hauptbühne treiben.
Der Revolutionsplatz war weitläufig abgesperrt. Um in das innere Areal zu gelangen, musste jeder erst durch einen Metalldetektor und seine Taschen, Beutel oder Rucksäcke inspizieren lassen. Bei wunderbaren Wetter war halb Krasnoyarsk auf den Beinen, um sich die Parade anzuschauen – das Gedränge war dementsprechend groß, die besten Plätze direkt am Aufmarschplatz bereits besetzt. Nach und nach marschierten die unterschiedlichsten Einheiten, angefangen von jungen Studierenden in Uniform bis hin zu Spezialeinheiten, über die abgesperrte Karl-Marx-Straße, salutierten der Ehrentribüne vor dem Lenin-Denkmal und standen sich anschließend bei prallem Sonnenschein die Beine in den Bauch.
Nach mir unendlich lang vorkommenden namentlichen Danksagungen an die Veteranen und alle anderen, die irgendwie am Sieg gegen Nazi-Deutschland beteiligt waren, wurde es nach mehr als zwei Stunden endlich spannend: Der Überflug etlicher Militärhubschrauber gefolgt von zwei MiG-31-Kampflugzeugen läutete den Aufmarsch der Fahrzeuge ein. Waren die Panzer auf dem Revolutionsplatz vor allem bevorzugter Spielplatz für die Kinder, konnten nun die Erwachsenen die Errungenschaften der russischen Militärtechnik in Bewegung und in Abgaswolke betrachten. Natürlich war die Show nicht annähernd so pompös wie in Moskau, dennoch wurde auch den Sibirjaken einiges geboten.
Anschließend setzte sich die Besucherschar in Bewegung, um gemeinsam mit einigen Truppenformationen zur gut drei Kilometer entfernten Sieges-Gedenkstätte zu ziehen. Spätestens jetzt entwickelte sich eine Volksfeststimmung, je näher man dem Ziel kam, desto mehr Menschen säumten den Straßenrand, um den Marschierenden zuzujubeln. Wechselseitige Hurra-Rufe und kurze Gesänge machten auch den Schlussanstieg für die älteren unter den tausenden Feiernden erträglich. Die meisten führten Portraits von Verwandten, die am Zweiten Weltkrieg beteiligt waren, mit sich, um ihnen so gedenken und ihren Einsatz zu würdigen.
In der Gedenkstätte wurde dann der offizielle Teil des Tages beendet. Zuerst durfte ein Veteran sprechen, ihm folgte der Gouverneur der Krasnojarsker Region, der Bürgermeister und schlussendlich gab auch der örtliche Metropolit sein Segen. Böllerschüsse und eine Schweigeminute beenden die Zeremonie.