Ich wollte mich nützlich machen und bei der Recherche für eine wissenschaftliche Arbeit über die kasachische Hauptstadt Astana helfen. Der erste und womöglich beste Anlaufpunkt ist dazu die Universitätsbibliothek. Die Staatliche Iwane-Dschawachischwili-Universität Tiblissi (TSU) hat deren mehrere, sogar laut Internetseite eine Zentralbibliothek mit über 5 Millionen Werken (zum Vergleich: die Thulb hat deren 3,9 Millionen Bestandseinheiten). Das hörte sich somit nicht schlecht an, auch ein georgischer Kommilitone bestätigte mir, dass die Bibliothek riesig wäre, es allerdings keinen digitalen Katalog gäbe. Ich musste mich also persönlich dorthin begeben, um zu schauen ob es Brauchbares gibt.
Mit dem Bus – die U-Bahnstation ist seit Jahrzehnten im Bau – ging es an den Stadtrand Tbilissis, wo mehrere Uni-Gebäude, mutmaßlich der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, und eben die Hauoptbibliothek liegen. Zwar machte mich die Ankunft auf einem riesigen staubigen Parkplatz etwas stutzig, doch durch die vielen umherschlendernden Studenten (sogar an einem Samstag!) wusste ich, dass ich richtig war. Die Gebäude mit den Hörsälen waren dann auch schnell ausgemacht und dank Google wusste ich auch ungefähr, wo die Bibliothek liegen sollte.
Doch wo ich ein neueres, gut besuchtes Gebäude erwartete, stand nur ein menschenleerer Klotz, der zudem aussah, als ob er seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion geschlossen war. Überall bröckelte es und Unkraut wucherte vor sich hin. Skeptisch schlich ich um das Gebäude, um dann oberhalb einer riesigen Treppe einen Eingang zu erblicken, aus dem tatsächlich eine Studentin herauskam. Ein angebrachtes Blechschild bestätigte mir dann wenig später, dass ich richtig war.
Ich betrat also das riesige, aber sehr leere Gebäude, ignorierte die Sicherheitsbeamten und lief gen einzigen Raum, der mir wie ein Lesesaal aussah. Drinnen wurde man von einer schieren unendlichen Anzahl von Karteikartenschränken erschlagen, was mich natürlich nicht daran gehindert hätte, entsprechend zu recherchieren – OPAC kann ja jeder!
Aber es wurde besser, denn an einer der vielen Türen, die von diesem Raum ausgingen, war ein Schild mit „Student Department“ (also auf georgisch und englisch) angebracht – hervorragend, dachte ich mir, immerhin wird Service in Georgien noch großgeschrieben. Ich klopfte an besagter Tür zaghaft an, und betrat einen noch größeren Raum, mit noch mehr Zettelkatalogen und ein paar Schreibtischen. Hinter einem konnte ich eine ältere Frau erkennen. Ich sprach sie an. Sie konnte natürlich kein Englisch, aber immerhin konnte ich ihr auf Russisch klarmachen, was ich wollte und genau suchte. Sie war recht freundlich und schritt auch schnurstracks und zielgerichtet zu einem der Katalogschränke, zog ein Fach heraus und begann unter „Kasachstan“ zu suchen. Ich konkretisierte meine Suchanfrage, um den Vorgang etwas zu beschleunigen mit „Gorod Astana!“, worauf die Bedienstete schlagartig mit dem Durchsuchen der Zettel stoppte und meinte, dass die Stadt zu neu wäre, und deshalb nicht im Katalog zu finden wäre (Astana heißt „erst“ seit 1998 so, aber die Stadt gab es natürlich schon sehr viel länger). Damit endete meine, bzw. ihre, Recherche abrupter und schneller als geplant. Auch der hinzugekommene Sicherheitsbeamte mit seinen fünf Brocken Englisch konnte sie nicht mehr überreden weiterzusuchen. Alle drei zuckten mit den Schultern, ich bedankte mich artig für die Mühe und verließ das Gebäude.
Unkonventionelle Bücherlagerung
Da ich aber meine Kamera mithatte, um eigentlich Buchseiten abfotografieren zu können, nutzte ich die neu gewonne Zeit, um das Gebäude und die sehr interessante Umgebung fotografisch zu erkunden. Ich hatte zwar nur meine 50mm Festbrennweite dabei, sodass ich diesbezüglich etwas eingeschränkt war (besonders was Architekturfotografie angeht), aber immerhin musste ich mich nicht noch einmal auf den Weg machen.
Trotz der Erfolglosigkeit hat es sich damit letztendlich doch gelohnt, den weiten Busweg auf sich zunehmen. Zudem weiss ich nun auch, dass man sich für wissenschaftliche Recherchen in Tbilissi auf die Onlinemedien beschränken kann (bzw. ist die Georgische Nationalbibliothek sehr gut, allerdings nur für alles was den Kaukasus betrifft – und sogar mit Onlinekatalog).