Im für den Kaukasus luxuriösen Zweierabteil sitze ich alleine mit einer Flasche armenischen Bieres und lausche den elektronischen Klängen meines mp3-Players. Zufrieden und sehr entspannt schaue ich an diesem Sonntag zurück auf zwei sonnige Tage in Jerewan. In wenigen Stunden bin ich wieder zurück in Tbilissi. In der Retrospektive erstaunlich, denn schon die ersten Schritte im südlichen Nachbarland – und dem letzten Fehlenden im Südkaukasus – schrammten nur haarbreit an einem totalen Desaster vorbei.
Freitag, 24. Februar. Ich sitze in einer Marschrutka gen armenische Hauptstadt, der Minibus ist voll gestopft mit allerlei Dingen, die die mitfahrenden Marktfrauen wohl in Jerewan verkaufen wollen. An der Grenze angekommen gibt es dann für mich das erste Problem, nämlich die 3000 Dram (umgerechnet 6 Euro) für das Visum aufzutreiben. Es besteht zwar die Möglichkeit in Euro, US-Dollar oder sogar russischem Rubel zu bezahlen, doch mit meinen georgischen Lari komme ich nicht weiter.
Glücklicherweise ist aber mein Marschrutkafahrer so nett und tauscht mir mein hier wertloses Geld in Dram. Das Visum anschließend zu bekommen ist dann nur noch reine Formsache und mehr Papierkrieg und Bürokratie denn ernsthafte Reisebeschränkung. Nachdem ich auf der anderen Seite der Grenze angekommen bin, erspähe ich einen Geldautomaten und denke mir, dass es wohl eine gute Idee wäre, gleich mal ein bisschen einheimisches Geld abzuheben. Sicher ist sicher – ist es nicht! Denn der mit Windows XP betriebene Automat bootet unverhofft neu, nachdem er meine Karte verschluckt hat. Das Gerät erwacht zwar danach wieder zum Leben, doch meine Karte bleibt verschwunden, es steigt berechtigterweise Panik in mir hoch.
Zwar würde ich im Katastrophenfall schon irgendwie nach Tbilissi zurückkommen, doch dort würde ich wohl oder übel nach kürzester Zeit auf dem Trockenen sitzen, hängt doch quasi mein ganzes Überleben an diesem kleinen Stück Plastik – irgendwie verrückt, wenn man das bedenkt. Doch ein Engel, abermals in Form meines Marschrutkafahrers, erscheint und er regelt es, dass der Automat von hinten geöffnet wird und man mir wenig später meine Kreditkarte zurückgeben kann. Didi madloba! Dem Schweißausbruch folgt ein kleiner Anfall unglaublicher Freude.
Es ist bereits dunkel, als ich in Jerewan ankomme – am imposanten Bahnhof. Glücklicherweise ist das dortige U-Bahnnetz sehr überschaubar und nach einem kurzen Umblicken erspähe ich sogar einen Netzplan auf Russisch. Ähnlich wie anfangs in Tbilissi bin ich froh russische Beschriftungen und Hinweisschilder zu finden, da auch das armenische für Außenstehende nicht lesbar ist. Nach kurzer Suche in der der überschaubaren Innenstadt finde ich auch das Heim meines Couchsurfers Kush – ein Inder, der bereits alle meine (ehemaligen) Mitbewohner sowie meinen halben Studiengang gehostet hatte.
Beste Bedingungen also, um zwei entspannte Tage zu haben: viel indisches Essen, ein Kneipenabend, ein Pokerabend und immer wieder viele andere Couchsurfer. Tagsüber gehe ich alleine auf Streifzug durch die Stadt, unterbrochen von vielen Café und Restaurantbesuchen, um mich durch die kulinarischen Highlights der vielfältig beeinflussten armenischen Küche zu verköstigen.
Um mir selbst auch die Rückfahrt so angenehm wie möglich zu gestalten – ich bin ja schließlich im Urlaub – kaufe ich ein Ticket für das eingangs angesprochene ein Zweier-Abteil. Kurz vor dem Besteigen des Zuges hebe ich – gelernt aus den Ereignissen der Hinfahrt – noch ein paar Tausend Dram für den nächsten Armenien-Aufenthalt ab. Denn wiederkommen möchte ich jedenfalls, Armenien ist ja nicht nur Jerewan!
Ein 80-jähriger Verteran zusammen mit seinem Sohn am Mahnmal – zum perfekten Zeitpunkt erwischt.
Irgendwie wird grade an der Flickr-Website gearbeitet, weswegen ich (noch nicht) die Fotos in den Blogpost einfügen konnte. Deswegen am besten direkt darauf zugreifen.
Update: Ok, Fotos sind im Post, alle gibt es trotzdem nur bei Flickr.