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Abchasien

Sokhumi
Schiffe in der Bucht vor Sochumi

Pflichtbewusst weist uns der georgische Polizeibeamte daraufhin, dass wir in wenigen hundert Metern Entfernung ein von „Russland besetztes Territorium“ betreten werden – und das es dort nur von „Banditen“ wimmeln würde. Dort, das ist die selbsternannte (international – bis auf Russland, Nicaragua, Venezuela, Nauru, Tuvalu und Vanuatu – nicht anerkannte) Republik Abchasien. Mit dem Nachtzug aus Tbilissi sind wir zuvor nach Sugdidi gekommen, die letzten Kilometer von dort bis zur de facto Grenze bringt uns ein Taxi. Es vorbei an einer riesigen Georgienflagge, die dem Gegenüber – drüben auf der anderen Seite des Grenzflusses Enguri – signalisieren soll, dass hier ist Georgien!

Inguri Bridge

Die vor uns liegende Enguri-Brücke, 1948 von deutschen Kriegsgefangenen fertig gestellt, ist die einzige existierende Verbindung zwischen Georgien und Abchasien seit dem Sezessionskrieg vor 20 Jahren. Die einzige Möglichkeit die Brücke zu überqueren ist per pedes oder per Pferdegespann (von eine paar privilegierten Minibus- und Mercedesfahrern abgesehen). Nachdem die Beamten unsere Namen samt Reisepassnummer in eine Liste eingetragen haben, dürfen wir weiterziehen. Uns kommen an diesem Freitagmorgen vor allem Babuschkas bepackt mit großen Taschen und Mütter mit Kleinkindern entgegen – Georgierinnen die vor allem in der Provinz Gali wohnen und oft ins Kernland pendeln.

Am anderen Brückenkopf angekommen zeigt sich die russische Unterstützung für die Unabhängigkeit nicht nur an der allgemeinen Umgangssprache (selbst der Großteil der ethnischen Abchasier redet Russisch) und den kyrillischen Lettern, am anderen Ufer weht die Trikolore Russlands – der in der Region stationierten Friedenstruppen. Deutlich abgenutzter und weniger präsent weht etwas Abseits das abchasische Pendant im Wind.

Das Hineinkommen nach Abchasien ist – für uns Touristen – nur Formsache. Viel zu kontrollieren gibt es für die Grenzbeamten nicht. Denn die Visa, nachdem wir diese zuvor per Mail formell beantragt hatten, müssen binnen 24 Stunden direkt beim Außenministerium in Sochumi abgeholt werden. Damit ist die ehemalige Großstadt und Touristenhochburg am Schwarzen Meer auch unser erstes Ziel. Die freundlichen und scherzenden Beamten telefonieren uns schnell einen Fahrer herbei: Rudolf mit seinem 30 Jahre alten Wolga führt uns nach kurzer Wartezeit wahrlich meisterlich und mit russischer Popmusik im Hintergrund an den teilweise dezimetertiefen Schlaglöchern und den zahlreichen Verkehrspolizisten vorbei und setzt uns direkt vor dem Ministerium ab.

Nach den bürokratischen Hürden geht es auf Zimmersuche. Dieses Unterfangen ist noch leichter zu bewerkstelligen als es Georgien der Fall ist, da mit russischsprachigen „Zimmer frei“-Schildern auf potentielle Gäste überall aufmerksam gemacht wird und man sich so nicht durchfragen muss.

Da die Hauptsaison erst im Mai beginnt und ein Großteil der Menschen an der Küste von den (größtenteils russischen und ukrainischen) Touristen lebt, bietet sich eine dementsprechend breite Auswahl an Unterkünften – und damit eine auch gute Verhandlungsbasis. Mit etwas Erfahrung ob der Möglichkeiten handeln wir die Nacht von 500 Rubel, die russische Währung ist natürlich dortiges Zahlungsmittel, in der ersten Nacht in Sochumi bis herunter auf 250 Rubel in Nowy Afon.

Sokhumi
Noch Sichtbare Spuren des Krieges: Einschußlöcher. Das ist Sochumi…

Sokhumi
… das aber auch – das Zentrum der abchasischen Hauptstadt.

Als „nichtrussische“ Touristen fallen wir auf, doch überall werden wir eher mit Fragen und Hoffnungen konfrontiert, so warum man ausgerechnet „hierher“ kommen würde. Aber besonders freut man sich einmal „europäische“ Gäste begrüßen zu dürfen – sei es der Taxifahrer, unsere Herbergsfamilie oder fremde Menschen auf der Straße. Man kann sich in Abchasien, vor allem an der steinigen Schwarzmeerküste überaus wohl fühlen. Die touristische Infrastruktur befindet sich auch sichtbar im (Wieder)Aufbau, wenn sie auch im April noch deutlich verschlafen ist. Das Essen zeigt zwar deutliche Spuren des großen Nachbarn im Norden, die Wurzeln sind aber unverkennbar südkaukasisch. Allerdings sind die Preise deutlich höher als in Georigen.

Im Vornherein habe ich weitgehend verzichtet mir Horror-Geschichten (wie sie beispielsweise auf der Seite des Auswärtigen Amtes sogar für Tbilissi verbreitet werden) im Internet durchzulesen, um nicht zu sehr verunsichert und bei jeder Kleinigkeit misstrauisch zu werden. Zwar meinen auch die Einheimischen, mit denen wir ins Gespräch kommen, dass wir (vor allem nach Einbruch der Dunkelheit) „aufpassen sollen“, doch jegliche Negativ-Erfahrung bleibt uns (mehr oder weniger selbstverständlich) erspart.

Novy Afon
Sonnenuntergang in Novy Afon

Dabei „trauen wir uns sogar“ nächtlich in Gagra mit zwei Jungs, die uns an einem Kiosk ansprechen, den Abend zu verbringen. Später werden wir nicht nur auf ein Bier einladen, auch zur zukünftigen Hochzeit und zum Geburtstag sollen wir wiederkommen. Abchasien ist ein paradiesisch anmutender Ort, überall Palmen, Delphine im Meer und bereits im April sommerliche Temperaturen. An den vielen, leider zum Großteil verfallenen, sowjetischen Prachtbauten kann man erkennen, dass man dort in der Vergangenheit wusste, wie man eine gute Zeit haben konnte. Aber die hatten wir definitiv auch!

Gali

Sokhumi

Sokhumi

Sokhumi

Sokhumi

Sokhumi

Sokhumi

Sokhumi

Sokhumi

Gagra

Gagra

Gagra

Gagra

Gagra

Gagra

Gagra

Novy Afon

Novy Afon

Novy Afon

Novy Afon

Novy Afon

Novy Afon

Novy Afon

Novy Afon

Novy Afon

Novy Afon

Sokhumi

Sokhumi

Alle Fotos bei Flickr.

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