Wir sitzen im schnellsten Zug der schwedischen Bahn, dem X 2000 – ein Name wie eine Rakete – sieht auch von außen so aus, also wie eine graue Metalldose mit ein bisschen Wellblech dran. Immerhin bringt uns dieses Gefährt direkt zum Stockholmer Hauptbahnhof. Diese, also alle Hauptbahnhöfe werden hier schlicht und ergreifend mit einem „C“ abgekürzt, in Dänemark beließ man es bei einem für uns einleuchtenderen „H“. Das erste und hoffentlich auch letzte Mal unserer Reise sind wir mit dem Zug unterwegs. Aber wie kam es überhaupt soweit?
Freitag, 5. März, wieder standen wir früh auf, frühstückten eher schnell als gut und standen so schon um halb 12 an der zuvor ausgeschauten Stelle kurz vor der Öresund-Brücke. Das Wetter meint es abermals sehr gut mit uns – strahlender Sonnenschein. Nach gut einer halben Stunde werden wir unverhofft von Marion mitgenommen. Sie ist gebürtige Berlinerin, doch dann zog es sie vor über drei Jahrzehnten nach Schweden. Hier ist sie für ein großes deutsches Chemieunternehmen aus Baden-Württemberg tätig. Anfangs war sie eher skeptisch uns an Bord ihres Autos zu haben, weil es für sie das erste Mal war, dass sie Anhalter mitnimmt, unterwegs taute sie aber mehr und mehr auf und schließlich machte es ihr sogar viel Freude, uns Göteborg näher zu bringen. Sie gab uns viele Tipps mit auf den Weg und setzte uns ganz in der Nähe des Stadtzentrums aus.
Mit dem Mittagessen und einem kurzen Stadtbummel vertrieben wir uns dann die Zeit, bis unser Host, Peter, mit der Uni fertig war. Nachdem wir unsere Rucksäcke in Peters schmucker und fantastisch liegender Ein-Zimmer-Wohnung abstellten, tauten wir langsam wieder auf. Mit Bier und Wein sowie einer kleinen Kneipentour ließen wir den Abend ausklingen. Wir unterhielten uns sehr nett mit Peter und in einer der Kneipen auch mit dem angeheiterten Jimmy, der von sich behauptete auf einem Schlepper zu arbeiten und uns im Sommer unbedingt als Skipper auf seinem Segelboot dienen will.
Der nächste Morgen begann mit einem Omlette-Frühstück, welches Peter für uns in seiner kleinen Küche zubereitete. Nachdem wir abermals unsere Rucksäcke in die voluminösere Form brachten, fuhren wir zusammen in die Stadt. Dort verabschiedeten wir uns von ihm und suchten unseren Startspot auf. Es fiel uns auf, dass wir das falsche Schild vorbereitet hatten, denn eine langsamere, weil längere, Route war zwar mit der Richtung „Stockholm“ ausgeschildert, doch die wesentlich Schnellere führte eben über „Jönköping“. Das war aber alles halb so schlimm, denn nicht unweit vom Spot war ein Netto, noch der „alte“ mit dem Hund. Natürlich gab es dort ausreichend Pappen und nebenbei konnte auch der Essensvorrat aufgestockt werden.
Also schnell das richtige Schild gemalt und kaum streckten wir dieses den Autofahrern entgegen, schon hielt eine schwedische Oma auf dem Rückweg von ihren Enkeln an. Schon wieder eine allein fahrende Frau und schon wieder das erste Mal jemanden mitgenommen. Auch sie hatte eine spannende Geschichte zu erzählen. So wuchs sie in Äthiopien auf und kam erste im Schulalter nach Schweden. Ihre Eltern waren Missionare in Afrika, entschieden sich aber dafür, dass sie und ihre fünf Geschwister in der Heimat aufwachsen sollten. Allerdings fand sie es als Kind weniger schön, denn es war ihr im Vergleich zu Äthiopien viel zu kalt in Schweden. Da konnte auch der Schnee nicht viel ändern, das ging sogar soweit, dass sie bis dato noch nie auf Skiern stand. Sicherlich sehr außergewöhnlich für eine Skandinavierin.
Da sie kurz hinter Jönköping wohnte, ließ sie uns an einer Art Autohof raus. Leider war dieser denkbar schlecht gelegen, einerseits wenig befahren und anderseits war in der Nähe eine riesige Shoppingmall mit vielen örtlichen Fahrern. Letztendlich warfen wir sprichwörtlich das „Schild in den Schnee“. Nach gut 1,5 eiskalten Stunden auf der Autobahnzufahrt gaben wir auf, nahmen den Bus in die Nahe Stadt, frustrierten am Ticketautomaten und am Transportsystem (Fernbusse können nur am Ticketschalter [der war bereits geschlossen] oder übers Internet gebucht werden – eine Bezahlung beim Fahrer war nicht möglich). Wenn mal nix läuft dann natürlich richtig, so kam es, dass der X 2000 nach Stockholm ausgebucht war. So mussten wir unsere Tickets an Bord kaufen – mit saftigem Aufschlag. Am Hauptbahnhof war uns das Glück dann aber wieder hold, denn Israel, ein spanischer Erasmusstudent, antwortete auf eine der zahlreichen Anfragen, mit denen wir Stockholm bombadiert hatten. Zwar nächtigen wir nun die nächsten drei Tag zu dritt im Studentenwohnheim, aber wir wollen ja auch die Stadt besichtigen und nicht in der Bude rumhhocken.
PS: Folgende „Klischees“ konnten bestätigt werden: nahezu das erste größere Gebäude, das wir in Schweden sahen, war ein IKEA und in Schweden gibt es wirklich Elche. Von der Autobahn sahen wir sie leibhaftig und zu dritt.