Die Bundeswehr steht momentan im Fokus der Öffentlichkeit – einerseits gibt es harsche Kritik am Afghanistan-Einsatz, andererseits überlegt man, die allgemeine Wehrpflicht abzuschaffen. Dass die Bundeswehr aber auch an der Hochschule eine Rolle spielt, wird nicht nur dann sichtbar, wenn der Reservistenverband einen Werbeposten auf dem Campus errichtet. Stephan Krause vom „AK Antimilitarismus“ berichtete bei der vom „AK politische Bildung“ des Uni-Sturas organisierten Informationsveranstaltung „Militär, Gesellschaft, Hochschule“ über die Zusammenhänge. Durch den Auftritt des Verbandes solle für „mehr Akzeptanz geworben werden“. Vor allem fehle es an „qualifiziertem Nachwuchs“, so der Hannoveraner. Neben dem Wirken der Reservisten stand auch das der sicherheitspolitischen Hochschulgruppe zur Diskussion.
Sicherheitspolitik als Freizeitbeschäftigung
Joscha ist Vorsitzender der „SiPoliS“-Hochschulgruppe (Sicherheitspolitikinteressierte Studenten Jena). „Sicherheitspolitik deckt viele Bereiche ab, nicht nur die klassische Verteidigungspolitik, sondern auch Entwicklungs- sowie Wirtschaftpolitik und die innere Sicherheit – also ein breites Spektrum“, so der Jurastudent. Über den Sicherheitsbegriff gibt das Weißbuch des Bundesverteidigungsministeriums Auskunft. In diesem Leitfaden zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr fallen Flüchtlingsströme, Epidemien, Terrorismus oder ein freier Rohstoff- und Warenhandel unter den Sicherheitsbegriff.
Die interessierten Studenten, unter denen vor allem Politikwissenschaftler, aber auch Materialwissenschaftler oder Juristen zu finden sind, wollen Sicherheitspolitik wissenschaftlich betrachten und sich damit auseinandersetzen. Einen Diskurs möchte die aus zurzeit 16 Mitgliedern bestehende Gruppe hauptsächlich durch Fachvorträge ermöglichen. Seit 2007 wurden so bereits mehrere Veranstaltungen an der Universität organisiert, an denen teilweise auch Bundeswehrangehörige teilnahmen: Die breit gefächerten Themen beschäftigten sich mit historischen Ereignissen wie der Niederschlagung des Prager Frühlings, Auslandseinsätzen oder persönlichen Erfahrungen im Afghanistankrieg. Für „SiPoliS“ ist die Bundeswehr ein wichtiger Faktor in der Sicherheitspolitik – „da kommt man nicht drum herum“, so Joscha.
Diesen Aspekt findet Paul, einer der Organisatoren des Bildungsstreiks, fragwürdig. Es sei für die Hochschulgruppe so gut wie unmöglich, sich kritisch mit den selbstgestellten Themen auseinanderzusetzen. Eine offene Diskussion bedeutete, dass zu den „SiPoliS“-Veranstaltungen auch Bundeswehrgegner eingeladen werden müssten, was bis jetzt nicht der Fall war. „Die Referenten werben zwar nicht offensichtlich für den Dienst an der Waffe oder den Krieg in Afghanistan, aber ihre Meinung bleibt mangels Kritikern trotzdem als die alleinige stehen“. Es sei wichtig und interessant, sich wertfrei direkt mit den Soldaten auseinanderzusetzen, so Joscha von der Hochschulgruppe. Beispielsweise hatte ein Pressefeldwebel über seine Erfahrungen berichtet. „In allererster Sicht ist er zwar Befehlsempfänger, aber es ist natürlich interessant zu sehen und zu hören, was und wie er denkt.“ Die Kritik an der Hochschulgruppe sei eher die Kritik an der Bundeswehr generell, ergänzt Joscha.
Kritiker Paul wirft der Hochschulgruppe allerdings vor, zumindest „Partei zu ergreifen“ und ein „bestimmtes politisches Ziel“ zu verfolgen. Die Wissenschaft besteht für ihn aus Kontroversen – aber nicht aus „einseitiger Meinungsmache“ – in diesem Sinne sei die Hochschulgruppe also keinesfalls wissenschaftlich. Die besondere Kritik zielt vor allem darauf, dass die Hochschulgruppe der Bundeswehr nicht ablehnend gegenübersteht. Für Joscha „ist sie genauso Teil des Staates wie der Thüringer Landtag oder die Bremer Polizei“. Dies könnte schnell in einer Grundsatzdiskussion enden, meint Paul: „Nur weil etwas Gesetz, Norm oder eben Teil des Staates ist, muss es noch lange nicht gut sein: In der DDR war die Stasi Teil des Staates und in vielen Ländern gibt es gesetzliche Todesstrafen.“
Offene Diskussion bleibt aus
Offen geht die sicherheitspolitische Hochschulgruppe damit um, dass sie Teil des „Bundesverbandes Sicherheitspolitik an Hochschulen“ ist, der wiederum eng mit dem Reservistenverband der Bundeswehr verbunden ist. Mit diesem hätten sie einen kompetenten und verlässlichen Partner auf dem Feld der Sicherheitspolitik. Der Verband unterstütze sie ebenfalls finanziell und logistisch. Die meisten Mitglieder der Hochschulgruppe sind indes nicht Mitglied beim Reservistenverband und haben auch keinen Wehrdienst geleistet. Laut Paul sollte diese Vereinigung an der Uni nicht weiter existieren, „sie gehört aufgelöst.“ Es könnten immer noch Treffen und so genannte Infoveranstaltungen stattfinden, „aber dann außerhalb des
universitären Rahmens“.
Nach eigenen Angaben sei bis jetzt allerdings noch kein Kritiker an die „SiPoliS“ herangetreten. Es fehlt anscheinend an größerer Offenheit beider Seiten und zudem schlicht am Interesse der Studentenschaft. Aneinander „vorbeiorganisierte“ Veranstaltungen führen nur zu Unsachlichkeit. So wäre eine offene Diskussionsveranstaltung mit Befürwortern wie auch Kritikern eher wünschenswert und interessant – jeder Student könnte sich so seine eigene Meinung bilden.
Erschienen im Akrützel Nr. 284