Ein freundlicher Handwerker bringt mich die letzten Kilometer bis nach Jena. Nur noch ein paar Minuten Wartezeit an der Straßenbahn-Haltestelle in Lobeda und ich bin wieder zu Hause. Schneller als gedacht und geplant, aber die daheim liegen gebliebene Arbeit will bewältigt werden. Kurz rekapituliere ich die vergangenen fünf Tage.
Nach dem Wochenende in Tuzla fährt mich Maja zum Busbahnhof, wo sich nach einem letzten Tee unsere Wege trennen. Es wartet die vierstündige Busfahrt von Tuzla in die serbische Haupstadt, Belgrad, auf mich. Der Schnee wird weniger, die Sonnenstrahlen mehr, je länger der Bus durch die Pampa fährt. Etwas mulmig ist mir beim Warten an der Grenze, weil ich mich nirgends registriert habe, wie man es angeblich und offiziell machen sollte. Aber es gebt keinen Stress und keinerlei Probleme – Stempel ins rote Heftchen und fertig. Waren die bisherigen besuchten Städte eher kleinere Großstädte, so ist Sarajevo kaum größer als Erfurt, so lande ich in Belgrad in mitten einer pulsierenden Metropole – das heißt etliche Tram- und Buslinien, McDonalds-“Restaurants” und Designerläden.
Mit meinen Hosts, Vanja und Stefan, treffe ich mich auf dem Platz der Republik. Es folgt eine kurze Stadtbesichtigung – Einkaufsmeile, Ausblick auf den Zusammenfluss von Save und Donau und die Belgrader Festung. Am Ende warten einige Bierchen in einem Cafe. Der Abend ist schnell erzählt, denn nach dem Einkauf des Abendbrotes und viel Bier wird in Stefans Wohnung bis in die Morgenstunden gefeiert. Dem entsprechend sieht dann auch die Tagesplanung am darauf folgenden Montag aus. Neben dem obligatorischen Kaffee bzw. Teegenuss wird nur dem serbisch-orthodoxen Tempel des Heiligen Sava ein Besuch abgestattet. Dieser ist eines der größten Gotteshäuser der Welt, außen in weißem Marmor gehalten, innen einer Industriehalle gleichend – der Tempel wird wohl nach der endgültigen Einweihung vor sieben Jahren noch etliche Jahre im Bau sei. Der letzte Abend für mich auf dem Balkan wird zusammen weiteren Belgrader Couchsurfern und Freunden mit einer letzten Runde Slivova Rakija begossen.
Somit fällt nicht nur das Abschiednehmen, sondern besonders auch das Aufstehen am nächsten Morgen schwer. Von den letzten Dinar versorge ich mich in einem Konsum nahe des Busbahnhofes mit Essen und Getränken für die Rückfahrt nach Deutschland. Zurück am Abfahrtsort werde ich dann gebeten, mir doch ein Berechtigungsticket zum Betreten der Bussteige, zu kaufen. Natürlich kann ich dies nicht beim Sicherheitspersonal erstehen, sondern muss mich erst mühsam und mit Essentüten bepackt zum Schalter durchkämpfen (lustigerweise heißen diese auch auf serbo-kroatisch “šalter”). Zum Glück klappt es auch dort mit der Verständigung und 130 Dinar später habe ich das wichtige Stück Zettel in der Hand. Die nun wirklich allerletzten serbischen Geldscheine trete ich dann an den Busfahrer für mein Gepäck ab – aber das Prozedere kannte ich ja schon.
Wie immer fährt der Bus pünktlich ab, es geht in Richtung Norden über Novi Sad und Subotica gen Ungarn. Kurz vor der Grenze geht dann der Klingelbecher rum und ich sehe mich gezwungen nun auch meine letzten bosnischen Münzen als Bakschisch für den reibungsloseren Übertritt der Grenze abzutreten. Bei den serbischen Beamten scheint das auch ganz gut zu klappen, die EU-Außengrenze erweißt sich aber als hartnäckiger.
Denn einem Businsassen wird die Einreise verwehrt, andere Reisende, darunter auch eine Oma, müssen aussteigen und sich ihre Koffer durchsuchen lassen. Das Ganze dauert natürlich seine Zeit. Nach zwei Stunden haben die Ungarn genug gesehen – sowie mich zum Glück in Frieden gelassen – und wir können endlich weiterfahren. Ab und zu hält der Bus noch an einem Restaurant in der Puszta, doch letztendlich bekomme ich aufgrund des akuten Schlafmangels der vergangen Tage nicht mehr allzu viel mit. Erst als ich kurz aufwache und beim vorbeifahren das Schild “Wasserschutzgebiet” erahnen kann, weiß ich: zurück in Deutschland.
Leider viel zu früh, denn anstatt der planmäßigen Ankunft um 4.00 Uhr in der Nacht, sind wir trotz der Wartezeit an der Grenze Eineinhalbstunden eher in München. Dort bestätigt sich einmal mehr mein Bild zum Öffentlichen Personennahverkehr in der bayrischen Landeshauptstadt: die S-Bahnen auf der Stammstrecke(!) fahren noch nicht und auch die Tram verpasse ich kurz. Also heißt es fast eine Stunde in der Nacht ausharren, denn natürlich kann man von einer Millionenstadt nicht erwarten Nachtlinien im Halbstundentakt zu befahren, wie beispielsweise in einer “Provinzstadt” wie Jena…
Zu dieser gelange ich dann, nach einem Erholungstag, wieder per Daumen. Nach etwa 20 Minuten Wartezeit, am altbewährten Trampspot am Nordfriedhof, nimmt mich Eileen mit. Eine zwar etwas chaotische, aber überaus gesprächige und nette Mittdreißigerin. Auf der Fahrt bis zum Hermsdorfer Kreuz wird sie dann noch Tante, nicht nur Jubiläum für sie. Die fehlenden gut 20 Kilometer von der Tankstelle bis in die “Saalemetropole” bleiben dann auch diesmal nur eine kleine Hürde.