Auf meiner Rückreise aus der Ukraine und Moldawien stattete ich auch meinem ehemaligen Mitbewohner aus Tbilisser Tagen, Filip, einen Besuch in seiner Heimatstadt Bratislava ab. Er wohnt auf der gegenüberliegenden Seite der Altstadt auf der „anderen Seite“ der Donau in der Trabantensiedlung Petržalka, nur wenige hundert Meter von der österreichischen Grenze entfernt. Das alles wäre noch keinen extra Beitrag wert, wenn Filip nicht eine besondere Sehenswürdigkeit zum Besuch vorgeschlagen hätte: Ein verlassenes und heruntergekommenes Fußballstadion ganz in der Nähe, welches er auch das ein oder andere Mal besuchte als dort noch gespielt wurde.
Die Sache wird noch interessanter als er erzählt, dass die Mannschaft vor einigen Jahren sogar international spielte und das Stadion damals frisch ausgebaut worden ist. Selbstverständlich hatte ich von der Mannschaft, die jetzt FC Petržalka 1898 heißt, noch nie etwas gehört. Deshalb folgt nun ein kurzer geschichtlicher Abriss der goldenen wie pechschwarzen Jahre des Clubs, der damals als FC Artmedia Bratislava bzw. FC Artmedia Petržalka kurz aus dem Schatten des Lokalrivalen Slovan Bratislava hervortreten konnte und für eine Saison sogar die Champions League aufmischte*.
Der slowakische Medienmogul Ivan Kmotrik und dessen Grafobal-Gruppe war Eigentümer des FC Artmedia Petržalka/Bratislava. „Durch Investitionen im Red-Bull-Stil“, wie es der Ballesterer treffend bezeichnet, führte er die Stadtteilmannschaft binnen weniger Jahren vom durchschnittlichen Erstligateam in den 90ern zum respektablen Champions-League-Teilnehmer der Saison 2005/2006 (logischerweise nach vorjährigem Gewinn der slowakischen Meisterschaft) und zum slowakischem Doublegewinner im Jahr 2008.
Was danach folgte, war der Niedergang des Vereins, hervorgerufen – laut meinem Kumpel – vor allem durch die Weltwirtschaftskrise und zu hohe Spekulationen auf das Gelände, auf dessen sich das besagte Stadion bis heute befindet. Die Besitzer erhofften sich das Grundstück teuer weiterverkaufen zu können. Problem an der Sache war nur, dass eine Nutzung der Fläche nur als Sportstätte vorgesehen war und ist, was den Bau von gewinnbringenden Immobilien unmöglich macht.
Seit 2008, also seit vier Jahren, fand im Stadion kein Spiel mehr statt. Der Verein zog noch als Artmedia in das Stadion von Slovan Bratislava um. Weniger später konnte man auch die besten Spieler nicht mehr halten. Mittlerweile spielt die Mannschaft wieder unter ihrem alten Namen – ohne Artmedia – in der dritten slowakischen Liga. Multimillionär Kmotrik wechselte währenddessen zum Stadtrivalen Slovan und versucht seitdem als Eigentümer mit selbigem Club in die internationalen Wettbewerbe zurückzukehren.
Das ganz in der Nähe der Donau und der so genannten Alten Brücke gelegene Petržalka-Stadion blieb hingegen in verlassen aber weitestgehend in Takt zurück, da man bis zuletzt mit einer Rückkehr von Petržalka in ihr Stadion rechnete. Diese spielen aber jetzt auf einem Sportplatz am Rand der Wohnsiedlung. Derweil dürfte das Stadion eine blanke Investitionsruine sein, die Natur hat die ehemalige Sportstätte überwuchert und sogar Bäume wachsen auf dem Spielfeld wie auf den Tribünen.
Die zeitgleich tragisch wie lustigste Anekdote ist aber folgende: Der Mäzen nahm die allermeisten Sitzschalen aus dem Petržalka-Stadion mit, um sie für seinen neuen Verein zu nutzen – nachdem er sie natürlich in den Slovan-Farben blau und weiß umlackieren ließ. Doch auch Slovan spielt mittlerweile ganz woanders, nämlich im Štadión Pasienky vom zweiten, derweil aufgelösten, Hauptstadtclub Inter Bratislava. Dessem Vereinsfarben übrigens gelb und schwarz waren.
*Anmerkung: Anders als die Überschrift suggerieren möchte, spielte Petržalka natürlich nie in „seinem“ Stadion. Denn dieses entsprach, nicht nur aufgrund der 5.600 Sitzplätze, nie den UEFA-Auflagen. Die Heimspiele trug das Team damals im Tehelné pole, der ehemaligen Heimstätte Slovans und der Nationalmannschaft, aus.
Update 19.09.2012: Das slowakische Wirtschaftsmagazin “Trend” griff meinen Blogeintrag beim Thema der Stadionfrage auf und veröffentlichte meine Fotos.
Update 06.05.2014: Das Stadion ist mittlerweile komplett abgerissen. Zurück blieb mehr oder weniger nur eine “grüne Wiese”. Man munkelt, dass es weichen musste, da in unmittelbarer Nähe eine alte Brücke über die Donau durch eine Neukonstruktion ersetzt werden soll.