Die nagelneue „Fußball-Arena Jenissei“ in Krasnojarsk
Endlich wieder Fußball in Krasnojarsk. Am Samstag endete die Winterpause, die aufgrund des sprichwörtlichen russischen Winters bereits seit Ende November andauerte. Allerdings sollte das Spiel nicht im altehrwürdigen Zentralstadion stattfinden, sondern in der „Fußball-Arena Jenissei“ – auf Kunstrasen und in der Halle! Die Arena wurde erst im Herbst 2014 eröffnet, sie bietet Platz für 3000 Zuschauer. Nachteilig für uns Studierende ist, dass sie sich genau am anderen Ende der Stadt befindet. Zwar gibt es eine direkte Anbindung mit dem öffentlichen Nahverkehr, doch der Bus quält sich mehr als eine Stunde durch das Krasnojarsker Verkehrschaos bis unser Zielt erreicht ist. Endlose Plattenbausiedlungen ziehen so an den verdreckten Fenstern vorbei, ehe wir endlich kurz vor Anpfiff ankommen.
Allerdings müssen noch Eintrittkarten gekauft werden. Dieses Unterfangen stellt sich nicht nur für Ortsunkundige, sondern auch für alle anderen Fans etwas umständlicher als gewöhnlich heraus: Abgesehen vom Block (dieser bestimmt die Preisklasse, angefangen von 50 Rubel an den Eckfahnen bis 400 Rubel an der Mittellinie) muss auch die genaue Reihe und der exakte Sitzplatz ausgewählt werden. Die Schlange vor den zwei Kassen ist dementsprechend auch etliche Minuten nach Spielbeginn noch lang, jedes Ticket muss einzeln bedruckt werden. So verpassen wir nicht nur den Einmarsch der Weltkriegsveteranen, sondern auch den 1:0-Führungstreffer der Heimmannschaft.
Die Krasnojarsker Mannschaft, der FK Jenissei, traf an diesem 22. Spieltag der 1. Division (der zweithöchsten Spielklasse in Russland) auf FK Schinnik Jaroslawl. Ähnlich wie die „Reifenmacher“ vom Goldenen Ring trat auch der FK Jenissei bis 2010 unter den Namen verschiedenster Trägerbetriebe an: „Lokomotive“ (seit der Gründung 1937 bis 1967), „Automobilist“ (1970 bis 1990) oder „Metallurg“ (1990 bis 2010). Die Krasnojarsker spielten jedoch noch nie, so wie der Gegner, in der ehemaligen sowjetischen Wysschaja Liga oder der russischen Premjer-Liga. Der größte Erfolg schaut dementsprechend auch eher bescheiden aus: In der Saison 2001, damals spielte man in Russland noch wie das Kalenderjahr, erreichte das Team den 9. Platz in der zweiten Liga – stieg aber im darauffolgenden Jahr als Tabellenletzter in die 2. Division ab. Darüber hinaus erreichte Krasnojarsk 1958 das Viertelfinale im gesamtsowjetischen Pokal, 1980 das Halbfinale im Pokal der russischen Teilrepublik und zuletzt in der Saison 2012/13 das Viertelfinale im russischen Pokal, wo man gegen den späteren Sieger ZSKA Moskau ausschied.
Die letzten vier Aufeinandertreffen zwischen Jenissei und Schinnik endeten jeweils unentschieden. Doch diesmal konnte Krasnojarsk das Spiel durch einen Treffer in der Nachspielzeit schlussendlich mit 2:1 für sich entscheiden. Allerdings war der geruhsame Kick vor 2100 Zuschauern eher nebensächlich, bot doch die „Manege“, wie die Fußballhalle auch genannt wird, etliche Besonderheiten. Neben der bereits erwähnten Ticketvergabe wie im Theater, gab es ebenfalls eine dementsprechende Garderobe und Sitzecken zum Schlemmen, wo Fußballfans beim heißen Tee die erste Hälfte diskutieren konnten. Einen Unterschied zur gehobenen Unterhaltung gab es dann aber doch: Eine Waffenschau im Foyer. Wo andernorts noch über den gemäßigten Einsatz von Pyrotechnik diskutiert wird, lässt man in Russland die Kleinen einmal eine Kalaschnikow halten. Und manch einer der herumstehenden Halbstarken konnte hier Gelerntes aus dem Militärunterricht der Schule auch einmal praktisch anwenden und zugleich vor seinen Kumpels protzen, wie schnell so ein Sturmgewehr auseinander- und wieder zusammengebaut werden kann.
Das übliche Feindbild wird auch in Krasnojarsk besungen: „ACAB!“ (bitte deutsch ausgesprochen vorstellen)
Waren die Heimfans (wie auch die wenigen Gästefans) während des Spiels de facto kaum zu hören, fuhren diese nach dem Verlassen der Arena das volle „Ultra“-Programm auf: Pöbeleien gegen die (zwei, drei anwesenden) Uniformierten und das Zünden von mehreren selbst gebastelten Raucherzeugern. Das führte letztendlich zur „Eskalation“: Ein erboster Familienvater stellte die gut ein Dutzend Fußballfreunde zur Rede, was es denn solle, die Gesundheit seines Sprösslings mit dem weißen Nebel zu gefährden. Die Situation beruhigte sich aber so schnell, wie diese überhaupt erst entstanden war, die „Ultras“ entschuldigten sich brav. Ich halte also fest: Wer in Krasnojarsk wahre Stadionatmosphäre sucht, der sollte lieber zum Bandy gehen.