Ein Ufo ist gelandet: das Zentralstadion in Krasnojarsk.
Sonntag, letzte Chance für mich den glorreichen Jenissei Krasnojarsk in seiner Heimspielstätte zu sehen: dem Zentralstadion mit einem Fassungsvermögen von 22.500 Zuschauern auf der „Insel der Erholung“ inmitten des namensgebenden Flusses. Aufgrund des Gegners, dem Vorletzten FK Chimik Dserschinsk, konnte man sich von vornherein auf einen eher geruhsamen Kick einstellen, für Krasnojarsk war das Spiel am vorletzten Spieltag bedeutungslos.
Dazu kam, dass das bunt bestuhlte Oval mit 1250 zahlenden Zuschauern quasi leer blieb und es während der 90 Minuten fast durchgehend in Strömen regnete. Letztendlich zeigte sich der Leerstand aber als äußerst vorteilhaft, konnten doch so wenigstens alle Fans unter dem Dach der Haupttribüne Platz finden. Alles Fans? Nein, ein Häuflein Hartgesottene feuerte oberkörperfrei und über die gesamte Spielzeit hinweg die Heimmannschaft aus einer Ecke des Stadions an. Während des obligatorischen Halbzeitsturms auf die Buffet- und Grillstände konnte man sie, sowie die Zuschauer in der „VIP-Zone“, die sich nur mit einem Schirm vor dem Nass hatten schützen können, schon von Weitem Wasser triefend erkennen.
Anders als das grauenhafte Gekicke der ersten Halbzeit waren die angesprochenen Essensstände hervorragend (abgesehen vom fehlenden Bier, dass komplett aus russischen Stadien verbannt wurde): in Fett ausgebackene Teilchen mit allen erdenklichen Füllungen, frischem Schaschlik und selbstredend Sonnenblumenkerne.
Die zweite Hälfte begann dagegen weitaus munterer: Da sich etliche Fans noch am Grillstand das Fleisch schmecken ließen oder noch einmal an der Zigarette zogen (natürlich nur „heimlich“ im Männerklo, denn das Stadion ist selbstverständlich eine rauchfreie Zone!), verpassten sie so den Führungstreffer Jenisseis gegen die „Chemiker“. Der Name stammt von der in Dserschinsk vorherrschenden Industrie. Eine der Partnerstädte ist im übrigen, fast naheliegend, Bitterfeld. Unrühmlicherweise schaffte es die westrussische Stadt auf die Liste des „Blacksmith Institute“ der zehn am meisten verschmutzten Städte der Welt. Die gegnerischen Spieler konnten sich so vielleicht wenigstens etwas an der „Insel der Erholung“ erfreuen.
Zurück zum runden Leder: Wie schon beim letzten Spiel konnten die Gäste die Führung Jenisseis egalisieren. Und wie im März schlug auch Krasnojarsk wieder zurück, erstmals in der 66 Minute, kurz vor Abpfiff fiel dann sogar noch das 3:1. Die Fans waren zufrieden und auch die Sonne rückte wieder vor der Regenwolken. Eine Überraschung behielt das Spiel allerdings noch bereit: Krasnojarsk hatte bereits dreimal ausgewechselt, davon zweimal aufgrund einer Verletzung, als der Trainer das vierte Mal auswechseln wollte. Ich hielt das erst für einen Fehler, doch anscheinend lief alles regelkonform ab. Der russische Fußball ist eben immer für Überraschungen gut.