Als Eduardo und ich am Freitag unserer Russischlehrerin erzählten, dass wir am Wochenende in den nahen Stolby-Nationalpark wollten, fiel sie fast aus allen Wolken: Dort sei es gerade in dieser Jahreszeit äußerst gefährlich, überall würden Zecken nur auf uns warten. Da ich aber einerseits frisch geimpft bin und andererseits in einer ähnlich „No-go-Area“, dem Thüringer Wald, aufwuchs, ließ ich mich von den Warnungen nicht allzu sehr beeindrucken.
Auch Couchsurfer Albert, der uns die besten Wege zeigen wollte, hielt die Gefahr für berechenbar, wenn man einige grundlegende Vorsichtsmaßnahmen treffen würde, wie sich die Hose in die Socken zu stecken oder sich nach der Tour gegenseitig abzusuchen. Als wir am Samstagmorgen am Ausgangspunkt unserer Tour ankamen, war sofort klar, dass alle anderen von derlei verweichlichten Verhalten wenig hielten: die meisten Wanderer, darunter viele Familien und Jugendgruppen, spazierten in kurzen Hosen oder teilweise oberkörperfrei durch den Wald.
Eine der namensgebenden Säulen, im Hintergrund Krasnojarsk
Der südwestlich von Krasnojarsk gelegene und mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbare Stolby-Nationalpark ist bei den Städtern vor allem am Wochenende ein äußerst beliebtes Ausflugsziel. Aber auch für Weitgereiste bietet sich eine Tagestour an. Vor allem da der erst vor kurzem für die Öffentlichkeit zugängliche Teil des insgesamt über 47.000 Hektar großen Naturschutzgebietes neu hergerichtet wurde. Neben einigen Spielplätzen am Fuße des Aufstieges wurden zahlreiche Holzpfade gebaut, Wegweiser aufgestellt oder Hütten zur Rast errichtet.
Der Name „Stolby“ leitet sich von Dutzenden, bis zu 100 Meter steil aus der Taiga herausragenden grau-rötlichen Granitfelsen ab. Denn Stolby bedeutet Säulen oder Pfähle. Die Felsen wurden darüber hinaus durch Witterung teils bizarr verformt. Einige erhielten dementsprechend Bezeichnungen wie Großmutter, Kröte, Chinesische Mauer oder Teufelsfinger. Wiederum andere Felsen, insbesondere die touristisch interessantesten, heißen schlicht „Stolb Eins“, „Stolb Zwei“ oder „Stolb Vier“. Bei erstgenanntem schreckte ich noch vor dem recht anspruchsvollen Erklimmen zurück. Die anderen beiden waren dagegen problemlos besteigbar. Sie sind zugleich, was den Ausblick angeht, wohl auch die reizvollsten – wie folgende Bilder beweisen: