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Dritter Akt: Die Hauptstadt

Ich bin heilfroh, dass ich nach drei Übernachtungen in Bus und Bahn endlich in einem richtigen Bett einschlafen kann. Nach dem Ausschlafen gibt es das erste mal für mich ein typisches iranisches Frühstück (einige Hauptmahlzeiten hatte ich zuvor schon mit Ali in Deutschland gekocht). Eine der Basics kann man sich als durchgemixtes Kascha, mit Fleisch und durch viel Honig gesüßt, vorstellen. Das klingt etwas merkwürdig und sieht auch aus wie grauer Brei, welcher zudem Fäden zieht. Deutlich mehr mag ich da den Schwarztee und die typischen dünnen Fladenbrote, die am Morgen mit Honig und Frischkäse verspeist werden. Auch Früchte, vor allem Granatäpfel, gibt es in Hülle und Fülle. Sowie natürlich Nüsse, besonders Pistazien, die immer auf dem Tisch stehen und wie Obst dem Gast zusammen mit Tee gereicht werden.

Am ersten Tag werden wir von einem alten Schulkumpel Alis abgeholt, um mit ihm in eine der zahlreichen Vorstädte von Teheran zu fahren. In Karaj besuchen wir die Eltern des Kumpels und wenig später komme ich auch das erste mal in den Genuss von Kabāb, der mich in seinen schier unendlichen Formen bzw. Fleischsorten die ganze Reise über kulinarisch begleiten wird. Dazu gibt es (selbstverständlich alkoholfreies) Bier in vielen fruchtigen Geschmacksrichtungen . Etwas verwundert bin ich, dass auch Coca-Cola zum Standardrepertoire eines jeden Restaurants oder Kiosk gehört – aber auch viele andere westliche Marken haben ihre Flagstores in Teheran. Und riesige Malls im amerikanischen Format gibt es auch zuhauf.


Von links nach rechts: Saba, Mofa & Peugeot(s)

Weniger bunt zeigt sich das Straßenbild. Zu 90% besteht der Verkehr aus weißen oder zumindest hellen Peugeots (diese werden in einem Jointventure im Land selber hergestellt) und dem iranischen SAIPA Saba – dazwischen garantiert immer Motorräder mit Windschutz. Europäische Automarken sieht man fast gar nicht, was auch daran liegt, dass es verboten ist Gebrauchtwagen zu importieren.


Das Tor von Bagh Melli

Im Detail kann und will ich gar nicht auf die die Ereignisse der folgenden sechs Tage eingehen. Tagsüber geht es meistens durch die Stadt, mal alleine, mal mit Ali und einmal mit Couchsurfer Ehsan. Der zeigt mir nicht nur ein paar Orte der Millionenmetropole abseits der Museen und Sehenswürdigkeiten, sondern „enführt“ mich auch in den Untergrund: Kellergaststätten inmitten des großen Basars oder in verwinkelten Gassen, in denen die typischen und alltäglichen iranischen Speisen, wie Āsch-e Reschte oder gewürzter Reis mit einem Hähnchen- oder Gänseschenkel, zu sagenhaft günstigen Preisen aufgetischt werden. Aufgrund der großen Inflation wird man aber auch in jedem normalen Restaurant für 2,50€ nicht nur satt, sondern auch vorzüglich verköstigt.


Auf dem Basar…

Teheran zeigt sich mir als wuselige, für mich aber kaum zu durchblickende Metropole, die von dutzenden Autobahnen zerschnitten wird – irgendwie wirkt das ganze für mich eher wie ein Bild aus einer US-amerikanischen Serie der 80er-Jahre als der Mittlere Osten. Als einzige Orientierungsmöglichkeit ob des Wirrwarrs bleibt die sehr neue Metro. Ähnlich wie in den (Stadt-)Bussen, dort aber unabdingbar, wird nach Geschlechtern getrennt. In den ersten zwei Waggons haben nur die Frauen Zutritt – diese können sich aber auch zu den Männern in die anderen Wagen quetschen. Denn die U-Bahn ist zwar schnell, sehr leise (vor allem verglichen mit der Ex-Sowjetbahn in Tbilissi), aber auch durchgehend überfüllt. Da sie zudem klimatisiert ist, muss man auch im Sommer keinen durchgeschwitzten Nachbarn fürchten.

Als Flucht – nicht vor den Menschenmassen in der Innenstadt sondern vor allem – vor den Traditionen werden die Berge rings um Teheran bevorzugt von der Jugend. Hier kann Mann und Frau sich deutlich freier und ohne größere Befürchtungen treffen – und die Luft ist auch deutlich besser, wenn unten im Tal die besonders im Winter dicke Smogglocke jegliche Sicht auf die Berge versperrt.

Vor meiner Weiterreise laden am Ende Alis Eltern noch zu einem Ausflug nach Kashan ein. Die Stadt liegt etwa 200 km südlich von Teheran und man durchquert auf der rund 2,5 stündigen Fahrt auch wüstenartige – und für mich natürlich besonders faszinierende – Gegenden. Kashan gilt als weitaus konservativer, als beispielsweise die Hauptstadt. Am meisten fällt für mich der Unterschied bei der obligatorische Kopfbeckung der Frauen auf: Statt dem Kopftuch, aus dem in den großen Städten oft die halbe Haarpracht herausschaut, tragen hier auch die meisten jungen Frauen einen Tschador.

Zwar liegt Kashan auf dem direkten Weg zu meinem nächsten Ziel, Isfahan, doch zusammen fahre ich mit Alis Familie zurück nach Teheran, wo ich bis zum Bahnhof gebracht werde und sie mich nicht ohne Abendessen in der Bahnhofsgaststätte weiterziehen lassen – Merßi!

Auf dem Weg nach Kashan:

Fin-Garten:

In Kashan:


Keine Moschee, sondern ein Ort zum Totengedenken

Auf dem Kashaner Basar:


Delikatessen: Rinderzunge und Schafskopf

Categories: Backpacking Photos Iran On the Road